Wow, deine Bilder sind toll, du musst eine gute Kamera haben!

 

Ein Satz, den jeder halbwegs talentierte Fotograf schon einmal gehört hat. Ein Satz der vielleicht als Lob gemeint ist, aber eigentlich zumindest ein bisschen verletzend für jeden Fotografen ist. Ist es nicht eine geringe Wertschätzung, die uns da zuteil wird? Schließlich haben wir keinen Verdienst an den tollen Bildern, denn es ist ja die Kamera, die die guten Fotos macht.

 

Im Sommer das erste Mal. Wie aus dem nichts und völlig überraschend. Eine Frau erkundigte sich, wer denn die schönen Bilder bei uns machte. "Die Bilder sind so schön", schwärmte sie. Ich bedankte mich bei ihr und erklärte, ich wäre für die Bilder verantwortlich. Die Frau sah mich einige Sekunden überrascht an (das ist dann wohl ein anderes Thema :) ) und meinte dann. "Ja, also die sind wirklich toll, du musst eine echt gute Kamera haben". Autsch, das war ein Schlag in die Magengrube. Mit einer solchen Präzession getroffen, das hätte sogar einen Boxer KO geschlagen. Und ich Idiot, verdattert wie ich war, antwortete: " Äh, ja schon..." Das wäre meine Gelegenheit gewesen, ein Donnerwetter über die Geringschätzung von Fotografen loszulassen, darüber, dass die Bilder, die sie meinte, alle noch mit meiner alten mittelmäßigen 300 Euro Kamera gemacht würden. Tja, verspielt. Ok, wenn wir ehrlich sind, ich hätte die arme Frau natürlich nicht in Grund und Boden gestampft, sie hat es ja nur gut gemeint. Dennoch hat es mich ins Grübeln gebracht. Ich höre und lese es immer wieder bei Fotografenkollegen, dieses Thema der Geringschätzung der Menschen, die glauben, alles liegt nur an der Ausrüstung. Ich denke, das hängt auch mit dem Problem zusammen, das viele Kunden von den vermeintlich hohen Preisen der Fotografen entsetzt sind.

 

Auch ich hatte dieses Wissen und diese Arbeit hinter der Fotografie unterschätzt. Ich wünschte mir damals eine Spiegelreflexkamera, weil die Kompaktkamera kläglich darin versagte, scharfe Fotos von meinen Pferden in Bewegung zu machen. Ich war fest davon überzeugt, dass eine Spiegelreflexkamera dieses Problem lösen würde und tatsächlich: die Quote der scharfen Bilder war deutlich höher. Für kurze Zeit war ich zufrieden gestellt. Doch ein gutes Foto macht nicht nur die Schärfe aus. Das könnt ihr an dem unteren Bild sehen, es ist scharf, dennoch absolut nichtssagend und keines zweiten Blickes würdig. Es gehört viel mehr dazu. Licht, Perspektive, Location, Hintergrund, der richtige Moment, Bildbearbeitung, Brennweite, Blende, und Talent, nur um einige Beispiele zu nennen.

 

 

Das untere Bild wurde mit meiner Nikon D750 (ca 2000 Euro) im Automatikmodus aufgenommen. Ich habe versucht ein Laienbild zu machen. Am Anfang meiner Fotokarriere wäre ich wahrscheinlich stolz auf dieses Bild gewesen. Wenn du dir jetzt denkst: "Hä, die hat doch einen Knall, was soll denn an dem Bild gut sein?", kläre ich dich gerne auf. Die Perspektive ist relativ harmonisch, wie auch die Wirkung des Körperbaus und der Hintergrund ist schön unscharf.

 

Das obere Bild habe ich mit meiner Nikon D90 aufgenommen (momentaner Wert zwischen 200 und 300 Euro, wird nicht mehr hergestellt). Selbst, wenn es Geschmackssache ist, ob einem das Bild gefällt und es aus meiner Sicht auch nicht technisch perfekt ist, sieht man dennoch einen großen Unterschied zum Bild mit der besseren Kamera. Die Nikon D90 ist eine Kamera im mittleren Einsteigerbereich. Das obere Bild ist natürlich auch bearbeitet (mit Photoshop Elements), aber das gehört für mich auch zur Fotografie.

 

Beide Fotos wurden übrigens mit einem mittelmäßigen 30 Jahre alten Objektiv aufgenommen.

 

Abschießend möchte ich sagen, die Kamera macht nicht die Fotos. Die Fotos macht der Fotograf. Es ist auch nicht die tollste und teuerste Ausrüstung dafür nötig. Sie erleichtert es zwar, aber auch mit einer stinknormalen Kompaktkamera kannst du das ein oder andere besondere Foto machen. Entscheidend ist, das Wissen. Eine gute Kamera ist kein Patentrezept für besondere Aufnahmen.

 

Ich kann mich glücklich schätzen, denn die meisten Menschen in meinem Umfeld unterstützen mich und erkennen meine Fotografie an. Ich hatte bisher nur zwei Momente, wo ich ganz nett erklären durfte, warum es nicht an der Kamera liegt. Ich finde es jedoch immer schade, wenn andere Fotografen von negativen Erlebnissen erzählen und finde die unbewusste Ignoranz der Nichtfotografen könnte ein wenig auf die Sprünge geholfen werden.

 

Ich bin gespannt auf deine Meinung und Erfahrungen zu diesem Thema :)

Deine Namay

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Kommentare: 1
  • #1

    Hannah (Samstag, 23 Juni 2018 18:46)

    Super Beitrag! Und ja, wer kennt das Thema nicht als Fotograf...